Montag, Oktober 23, 2006

Bei Volker Pispers im Widerstand

"Bis neulich...", grüßt Volker Pispers


Er freut sich, von so vielen „engagierten Gesellschaftskritikern“ umgeben zu sein. Von Menschen, die „dagegen sind“, schon immer dagegen waren und das zum Ausdruck bringen. Die ihr „schlechtes linkes Gewissen“ durch den Konsum politischen Kabaretts beruhigen. Moderner Ablasshandel durch das Sammeln von Kabarett-Eintrittskarten: „Ich war im Kabarett. Ich habe geklatscht. Ich war im Widerstand!“

Hochkonzentration ist gefordert, um Volker Pispers auf dem Streifzug durch Tages- und Weltpolitik und die junge Geschichte zu folgen. Es ist auch Pispers Geschichte, der mit seinem Jubiläumsprogramm „…Bis neulich“ ein „Best of“ seiner über 20-jährigen Kabarettisten-Karriere präsentiert. Veraltet ist da nichts. Die Aktualität des „Alten“ ist im Gegenteil erschreckend. Pispers verknüpft, stellt Bezüge her und feuert im Schnellschussverfahren die bitterbösen Pointen ab. Manchem bleibt das Lachen im Halse stecken.

Rücksicht auf Empfindlichkeiten und zarte Seelen nimmt er nicht.
„Horst Köhler? Ach, du Scheiße!“ entfährt es ihm. Die Steigerung von Kohl fällt ihm ein, wenn er daran erinnert, dass der beliebte deutsche Politiker - einst als Staatsminister hinter Finanzminister Theo Waigl derjenige war, der plötzlich und unerwartet ein 300-Millionen-Mark-Schuldenloch fand.

Er räumt ein, dass er noch immer nicht die richtigen Worte gefunden hat, seine Kanzlerin zu beleidigen. Deshalb zitiert er sie wörtlich, und das erzählt er dem Publikum „schwarz auf weiß“.

Schlecht kommen sie weg, allesamt, aber er haut nicht nur drauf, er kann es begründen. Ob tote Fallschirmspringer, das „zähe Pack“ der Ärzte, das seit 15 Jahren das Praxissterben bestens überlebt, die Lehrer, von denen er auch mal einer war, Aktienanalysten, Berater, Parteien – er findet keine gutes Haar an keinem. Einzige Ausnahme die wahren Leistungsträger der Nation wie Krankenschwestern und Altenpfleger oder auch die Hartz IV-gebeutelten sogenannten Parasiten im 350-Euro-Bereich die er in Vergleich zu den 3,5 Millionen-Steuerhinterziehern stellt, die angeblich aus Notwehr handeln.

Messerscharf nimmt er die Politik der USA aufs Korn, weit entfernt von oberflächlichem Anti-Amerikanismus, von dem auch sein Ex-Kanzler abgeraten hatte. „Nein, seiner geht tiefer.“ Wieso, warum wird locker in einer langen Geschichte erzählt, die am 11. September beginnt. Am 11.11. 1973, als Salvador Allende, demokratisch gewählter Präsident von Chile von der CIA aus dem Amt geputscht wird.

Um Volker Pispers wirklich zu erfassen, muss man in den Widerstand gehen, heißt: ins Kabarett.

1 Kommentar:

juerginskyi hat gesagt…

Ich war im Kabarett, ich war im Widerstand. Klasse. Und auch dazu fällt mir ein anderes Zitat ein (schlimm mit mir):

Ich liebe Humor! Humor und Sarkasmus sind sehr starke Waffen. Aber: Sie richten im Zweifel nichts aus. Denken Sie an die Zwanziger Jahre, damals hat man sich in den Cabarets auch über Hitler lustig gemacht. Dann kam er an die Macht.

Rabbi Israel Singer im stern.de Interview http://www.stern.de/politik/deutschland/576034.html

Liebe Grüße
Jürgen