Freitag, August 22, 2008

Jethro Tull

Nie zu alt für Rock 'n' Roll

„Zu alt für Rock ‘n’ Roll, zu jung zum Sterben“, behauptete Ian Anderson 1975 in noch jugendlichem Übermut. Jetzt – 2008 in Beverungen – nimmt er die Aussage zurück: Zum Sterben ist man immer einen Tick zu jung, für Rock ‚n’ Roll nie zu alt.

Den besten Beweis erbringt er selbst: Agil und geschmeidig schwebt er auf die typische Weise über die Bühne, sein Flötenspiel, mit dem Jethro Tull 1967 außergewöhnlich neue, unverwechselbare Tull-Töne in Rockmusik brachte, geht bis heute unter die Haut.

Anderson selbst, der am 10. August 61 Jahre alt geworden ist, zieht Mick Jagger als Beispiel für die Alterslosigkeit der Heroen handgemachter Rockmusik heran. Aber auch seinen langjährigen Weg- und Bandgefährten, Martin Barre, der seit 69 dabei ist.

„Sieht er nicht sexy aus, wenn er so Gitarre spielt?“ fragt Anderson das Publikum grinsend.


Selbstironisch räumt er ein, dass man das Alter natürlich schon irgendwie spürt, beispielsweise in Form von Prostatabeschwerden. Als er Band und Publikum fragt, wer alles darunter leidet, ist er der einzige, der sich mutig meldet und outet.

41 Jahre Jethro Tull haben Spuren hinterlassen. Barre ist grau geworden, Ian Anderson hat ordentlich Haare gelassen, was er mit dem Piratentuch ausgleicht, das heute sein unverkennbares Markenzeichen ist.

Dem Publikum spricht er aus dem Herzen. Viele der rund 2000 Konzertbesucher sind mit der Band in die Jahre gekommen, aber für Rockmusik kein bisschen zu alt. Eine Welle der Begeisterung brandet durch Menschenmenge, als Anderson den Titel „Too old to Rock ‚n’ Roll“ ansagt. Die Musik fetzt und kommt heute genau so jung und unverbraucht rüber wie Anno Dazumal. Ian Andersons virtuoses Flötenspiel übt einen faszinierenden Reiz aus, von dem sich auch die Jüngeren begeistert mitreißen lassen.

Der Auftritt in Beverungen besticht vor allem durch seine Vielseitigkeit. Die 41 Jahre Bandgeschichte bieten ein unerschöpfliches Reservoir an Songs und Hammerhits aus allen Stilrichtungen von Blues und Folk-Rock, Klassikanleihen bei Sebastian Bach über Klassik und Hardrock bis Heavy Metal. Eine Set-List gibt es nicht. Die Band spielt auf ihrer Jubiläums-Tournee wonach ihr der Sinn steht und was das Publikum erwartet. Das sind die Tull-Hits wie Aqualung, Locomotive Breath, Bourée, Thick as Brick, Rocks on the Road, Living in the Past. Der Abend ist lang und Jethro Tull packt rein, was reinzupacken ist. Nach einem Loblied Ian Andersons auf die Schlagzeuger im Allgemeinen und den Tull-Drummer im Besonderen – „Drummers, god bless them!“ – bringt ein rund dreimütiges Drummer-Solo von Doane Perry – den Saal zum Kochen.




Too old to Rock 'n' Roll, too young to die

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das klingt super! Man weiß es ja nie - es gibt Bands, denen man wünschen würde, dass sie den Ruhestand genießen und zufrieden zurückschauen.
Aber wenn der Funke noch überspringt, der Act gut ist, die Jung's es mit Humor nehmen - das hätte mir auch Spaß gemacht.
In Beverungen habe ich damals übrigens Marius Müller Westernahen auf seiner Stinker-Tour erlebt:-)
War bestimmt die gleiche Location, ich erinnere mich nicht mehr genau, aber so viele Säle für 2000 Leute gibt's auf dem Dorf ja nicht;-)
Grüße von
Manu

Phönix hat gesagt…

Ja, der Saal war sicher der gleiche. ;) Das heißt, wahrscheinlich nicht wirklich. Der ist ja vor ein paar Jahren im Anschluß an ein Weihnachtskonzert abgefackelt und neu gebaut worden. Ursprünglich waren Tull und Raabe übrigens fürs "Weser-and-Hill-Open-Air" vorgesehen, dass, was dann aber in die Halle verlegt werden musste.
Saal- bzw. hallenmäßig hat die Kreiststadt nachlegt, wie Du sicher mitbekommen hast, und die Nachbarkreisstadt rüstet gerade programm-mäßig auf. An Langeweile werde ich also kaum leiden. :)
Lieber Gruß!